Der hochgerühmte "FOC" als Mittel des "experten"mäßigen "Fein"tunings

Zitat eines Posters im Bogensportforum:

"Es geht beim Thema FOC also darum, dass der Pfeil in seiner gesamten Länge unter Einwirkung von Schwerkraft und Luftwiderstand immer schön auf seiner mehr oder weniger geraden oder gekrümmten Flugbahn bleibt. Jetzt habe ich es kapiert."

Bis jetzt richtig, und schön, dass der Poster es kapiert hat. In der Außenballistik nennt man es "Folgsamkeit"

Zitat:

"Ist der FOC zu groß, geht die Spitze nach unten, ist er zu klein, geht die Spitze nach oben bzw. der Pfeil fängt an zutrudeln weil das Heck nach vorne kommen will ...".

Hier wird es lustig. Natürlich ist bei den hohen Geschwindigkeiten des Pfeiles und der Befiederung der Luftangriffspunkt immer weit hinter dem Schwerpunkt und die lächerliche Änderung des FOC durch Variation der Spitzenmasse ändert da garnichts. Bullshit... Und dem wird noch durch Veröffentlichung dieses Bild die Narrenkappe aufgesetzt

Kurz und knapp:

Der FOC ergibt sich automatisch durch die sorgfältige Abstimmung des Systems Pfeil und Bogen. Ein zusätzliches Herumbasteln, um die Außenballistik zu beeinflussen ist dummes Zeug.

Und noch was: Der Pfeil hat mit dem Speer außenballistisch recht wenig zu tun. Der Pfeil bewegt sich auf einer außenballistischen Kurve, die so ausgelegt sein soll, dass der Pfeil möglichst genau der zeitlichen Flugbahntangente folgen soll, um möglichst kleine Trefferbilder zu erzeugen. Der Speer soll möglichst große Flugweiten erreichen, dass bedeutet, dass der Schaft in jeder Phase der Flugbahn möglichst großen Auftrieb haben soll. Darauf zielten auch die Regeln/Regeländerungen beim Speerwurf ab, um Auswüchse (Speerflug anstatt Speerwurf) zu unterbinden. Stadien sind nicht beliebig vergrößerbar.

Diesem FOC widmen andere Experten im Internet oder in Büchern sogar eigene Kapitel. Zitat:
Wie auch bei anderen "Flugobjekten" spielt das Verhältnis zwischen Länge und Schwerpunkt eine Rolle für die Flugeigenschaften des Pfeiles.

Das ist Quatsch. Diese Aussage spielt nur bei kurzen Geschossen eine wichtige Rolle. (Stichwort "Molitzdreieck") Der Luftangriffspunkt liegt bei langen Stäben (die anfangs vorhandene laminare Strömung geht erst nach einer bestimmten Strecke in turbulente Strömung über) immer weit hinter dem Schwerpunkt.
Nebenbei: Eine zusätzliche "Stabilisierung" durch Drall, sprich großer Anstellwinkel der Federn, wird das Flugverhalten verschlechtern. Das gilt bei Überschallgeschwindigkeit und wird auch im Unterschallbereich gültig sein.
Zusammengefasst, der Pfeil wird immer stabil fliegen, er wird immer der Flugbahntangente folgen, unabhängig von der Befiederung. Diese unterstützt nur die Stabilisierung und sorgt dafür dass durch Störungen (Turbulenzen in der Luft) der Pfeil schneller wieder ausgerichtet wird... Die Befiederung legt den Luftangriffspunkt viel weiter nach hinten und vergrößert den Abstand Schwerpunkt- Luftangriffspunkt erheblich. Da sind diese lächerlichen Änderungen am FOC überhaupt nicht mehr erwähnenswert.

Aber:

Jetzt schauen wir mal, was das sinnlose Herumbasteln am FOC bewirken kann. Hier die Daten eines Pfeiles, der superschnell fliegt und supergenau abgestimmt ist:
Der unbefiederte Schaft steckt einen Hauch (1-2cm) auf 18m links von der Gruppe der befiederten. Dieses Ergebnis wurde mehrmals erzielt. Ich pflege solche Abschlussversuche sehr sorgfältig durchzuführen. Hier die Daten:

  1. Pfeiltyp: ACE 620, Spitze Nr.2
  2. Schaftlänge 741mm
  3. Federn: SpinWings
  4. Masse mPfeil:0,0174kg
  5. max primäre Durchbiegung: 9cm
  6. FOC:16,8%
  7. Anfangsgeschwindigkeit vPfeil: 64,8m/s

Und nun die wegen FOC geänderte Version:

  1. Pfeiltyp: ACE 620 Spitze Nr.6
  2. Schaftlänge 741mm
  3. Federn: SpinWings
  4. Masse mPfeil:0,0187kg
  5. max primäre Durchbiegung: 12cm
  6. FOC 19,1%
  7. Anfangsgeschwindigkeit vPfeil: 63m/s 

Dieser Pfeil reagiert viel zu weich. Er würde weit rechts stecken (Größenordnung 10-15cm bei 10m Entfernung). Das heißt, wegen diesem Unsinn, der noch zusätzlich eine Verschlechterung der Außenballistik bringt, wäre die gesamte Abstimmung für die Katz und müßte wiederholt werden.

Soviel über "Experten" die nichts anderes können als alte Behauptungen zu wiederholen (meinetwegen hat ein Superduper Weltmeisterschütze irgendwo, ohne auch nur einen Hauch der Physik zu verstehen, diese abgesondert) und ihre Websites durch Werbung bzw durch Klickzahlen auf dämliche YouTube Videos finanzieren.

08. Juni 2017 aktualisiert

Da schreibt ein user, dumm wie ein Meter Feldweg, aber mit dem Brustton der Überzeugung, Zitat:
Niedriger foc ist der Pfeil instabiler auf weiten distanzen Zu hoch wird die Flugbahn am Ende stark fallend Man muss ein Mittelding finden
Kompletter Bullshit.
Tja, klassischer Dunning Kruger Effekt, keine Ahnung, aber sehr überzeugt, es besser zu wissen. Hier als Beispiel für Alternative Fakten zitiert.

01. Sep.2017 aktualisiert

Da hat ein neugieriger Bogenschütze, Ralf Stoll (Danke für die Anregung!!!!), einer von denen, die sich mit Geschwätz nicht zufrieden geben, die wissen wollen, weshalb, wieso, warum, Fragen zum FoC gestellt. Die haben mich inspiriert, ein paar Tastversuche zu machen. Was passiert mit einem Rohschaft, der keine Spitzenmasse hat? Was passiert mit dem gleichen Pfeil, wenn er dicke, schwere Federn drauf hat? Wie sieht das im Vergleich zum normalen Pfeil aus?

Der Pfeil: Easton Al 1916, Durchmesser 7,5mm, Länge mit Spitze bis Nockgrund 823mm, Masse 0,030kg
Der Bogen: 68" Endhaltekraft ca 27lbs bei 780mm Auszug. Geschwindigkeit des Pfeiles beim Abschuß ca 45m/s. Natürlich war der Pfeil viel zu steif. Wer schießt schon solche schweren Knüppel, aber dieser Satz Pfeile war halt verfügbar. An zwei Pfeilen wurden die Spitzen entfernt, und die Öffnung mit Heißkleber verschlossen, einem Pfeil wurde die Befiederung entfernt. Beobachtet wurde nur der Pfeilflug, was passiert während des Fluges. Der Abschußwinkel wurde so gewählt, dass eine Schußentfernung (der Pfeil steckt im Gras) von ca 50m herauskommen sollte.
Das Ergebnis:

Beschreibung Masse
kg
Pfeillänge
mm
FoC
mm
Ergebnis
mit Spitze undFedern 0,030  823 385 Schwänzelte sehr stark,
steckte gegenüber der Schußrichtung weit links
ohne Spitze, mit Federn 0,025 814 450 steckte sehr, sehr weit links,
schwänzelte extrem
ohne Spitze und ohne Federn 0,022 814 418 überschlug sich, und lag bei ca 20m mit dem Nock
zur Scheibe sehr, sehr weit links im Gras

Das Überschlagen des Pfeiles hat mich überrascht, damit habe ich nicht gerechnet. Aber ich gehe davon aus, dass dies der extremen Steifheit des Schaftes geschuldet ist, der mit dem Heck mit Sicherheit an das Bogenfenster schlug. Aufgrund der geringen Geschwindigkeit konnten die Luftkräfte am Schaft selber diesen Drehimpuls nicht mehr ausgleichen.

Es war ein interessanter Versuch...

Ich habe heute Nacht (2. Sept. 2017) diesen Versuch virtuell weiterverfolgt.

Ein wohlabgestimmtes und im Beschuß überprüftes System, Daten:
FEnd = 179N (40lbs)
v0=64,8m/s (ACE 620, Insert "L", Spitze Nr.2, Schaftlänge 0,741m
mPfeil = 0,0174kg
minimaler Abstand Pfeilanlage und Pfeilschaft während des Schusses: 0,004m

Diesem System wurden virtuell Insert und Spitze entfernt, die Federmasse spielt hier keine Rolle, das System ist mit SpinWings gerechnet und auch so überprüft worden, Ergebnis:
mPfeil=0,0115kg
v0=74,8m/s
Der Pfeil biegt sich im Schuß nicht, weil er kürzer als die kritische Knicklänge ist, er wird heftig mit dem Heck am Bogenfenster anditschen. Auch diese Untersuchung zeigt den Blödsinn, mit der Spitzenmasse wg. des FoC in die Abstimmung einzugreifen. Außenballistisch hätte sich der Pfeil wie der zweite Versuch weiter oben verhalten.

02. Sep.2017

Der Pfeil Easton Al 1916, der zur obigen Untersuchung verwendet wurde, wurd heute normal, mit Spitze aus einem 40lbs Bogen verschossen. Er flog gut, auch der ohne Spitze flog genauso gut, allerdings aufgrund des geringeren Gewichtes etwas weiter als der gleiche Pfeil mit Spitze. Ein ganz guter Hinweis, dass der FoC vollkommen unwichtig ist, wenn die Abstimmung als solche stimmt.

Zurück zur Website