20. Feb. 2019 Sehnengarnmaterial

Die Sehne ist ein wesentlicher -und kritischer- Teil des Bogens. Sie soll in dem dynamischen Verlauf des Schusses die im Wurfarm gespeicherte potentielle Energie möglichst verlustfrei auf den Pfeil, und das auch noch punktuell übertragen. In den vergangenen Jahrhunderten war der Bau einer Sehne High-Tech, deren Know How sorgfältig gehütet wurde. Aber auch mit wirklich primitivsten Mitteln ließen sich Sehnen herstellen, ein gutes Beispiel sind die Buschmänner der Kalahari, die mit Pfeil und Bogen jagten. Sie benutzten allerding Gift, weil ihre Bogen keine große Durchschlagskraft hatten.

Hier geht es nur um die modernen Sehnengarne, die ab 1950 verwendet werden.

Ich werde diese Garntypen anhand ihrer physikalischen Eigenschaften beschreiben und dazu sollten erst die Kennwerte besprochen werden, so wie sie hier im Artikel verwendet werden.

Reißfestigkeit
Sie definiert die Zugspannung, die notwendig ist, das Garn zu zerstören, zu zerreißen
σBruch = F⁄A [Pa]
A ist die Querschnittfläche des Garnes in m2, F die einwirkende Kraft in N, Pa (Pascal) die Spannung in N/m2

Die Dichte des Sehnenwerkstoffes

Das ist eine Werkstoffkonstante und definiert die Masse des Werkstoffes pro Kubikmeter Rauminhalt
ρ = m ⁄ V [kg/m3]

Reisslänge

Die Reisslänge ist ein gutes Maß, wenn man die Effektivität eines Werkstoffes, also sein Verhältnis zwischen Eigenmasse und Festigkeit vergleichen will. Sie gibt an, wie lang ein Faden/Draht sein muß, damit er durch sein eigenes Gewicht abreißt. Natürlich darf der Faden/Draht aufgewickelt sein. Wenn man sich vorstellt, dass der Faden/Draht tatsächlich vom Himmel herabhängt, sollte man wissen, dass hier mit der Standard Gravitation an der Oberfläche der Erde gerechnet wird.

Ableitung:
Einwirkende Gewichtskraft:
FGewicht = A*lReisslänge*ρ*g
A in m2, Querschnittsfläche; g=9,81m/s2, Erdbeschleunigung, ρ in kg/m3,, Dichte

Bruchlast:
FBruch = A * σBruch

Diese beiden Kräfte sind gleich, aus der Gleichsetzung ergibt sich:

lReisslänge = σBruch ⁄ (ρ*g)

Dieser charmante Zusammenhang verdeutlicht, weshalb die Reisslänge bei der Garn/Fasertechnologie so häufig angewendet wird. Die Faser-/Garndicke, also die Querschnittsfläche spielt bei dieser Kenngröße keine Rolle.

Material Zugfestigkeit Dichte Reisslänge
MPa kg/m3 km
Stahl 2000 7,85*103 25,971
Aluminium 600 2,7*103 22,652
Polyester (Dacron) 970 1,38*103 70,6
Aramid (Kevlar) 3620 1,44*103 256,258
Polyethylen (Dyneema) 3600 0,97*103 390,396

Garnexperten spielen gern mit ihren Werkstoffkonstanten... Beispielsweise benutzen sie die Werkstoffkonstante "tex" Diese Größe bezeichnet die längenbezogene Masse des Garnes/der Faser. Die wird dann in den Tenacity Wert eingebaut "cN/dtex", also wie ich es verstehe 1/100N pro 0,1*tex... Das wird ich der Garntechnologie richtig, einfach und praktisch sein, hier für die Bogensehne geben diese Werte m.M.n. nichts her. Aber da lasse ich mich gerne belehren.

Welcher Wert ist zum Vergleich wirklich wichtig? Was mich erstaunt ist der geringe Unterschied in der Dichte zwischen Dacron und Kevlar. Ich habe aus grauer Vorzeit die Erinnerung, dass die Kevlarsehne doch deutlich den Pfeil schneller warf. Oder die Kevlarsehne war deutlich dünner als die Dacron. Das wäre die einzige Erklärung. In der Dichte unterscheiden sie sich so wenig, dass ein dadurch erzeugter Geschwindigkeitsgewinn ein Märchen wäre.

Der Unterschied in der Dichte zwischen Dacron und Dyneema ist bemerkenswert. Und ja, dieser Unterschied ist maßgeblich für die Geschwindigkeitssteigerung verantwortlich. Festigkeitsfragen spielen da keine Rolle, auch wenn man argumentiert, das E-Modul von UHMW ist ca 10 mal größer als das von Dacron. Das hätte nur Auswirkungen auf den Klang des Bogens... Mit UHMW macht er "Twäng", mit Dacron eben Plopp... Das wäre die einzige Auswirkung des höheren E-Moduls.

Wenn man das alles berücksichtigt lösen sich viele wortreiche Erklärungen, weshalb dieses oder jenes teure UHMW Spitzenprodukt eben besser ist als das ordinäre preiswerte FF Garn in Wohlgefallen auf. Vermeintliche Vorteile lassen sich zwanglos mit unterschiedlichen Garnstärken und damit unterschiedlichen Massen erklären.

22.Feb. 2019

Da existiert eine Liste über Sehnengarne, aus der habe ich mal zwei Sehnengarne herausgesucht, um zu untersuchen, wie sich Unterschiede tatsächlich auswirken. Wolfram Mathematica ist ja eine erstklassige Schützin, die keinen Fehler macht.

Zitat aus der Liste, mit dem ich mich beschäftigt habe:
******* Garngewicht in dtex des fertigen Bogensehnengarnes, beachtlich ist die Differenz zwischen Gewicht des Grundgarnes und konfektioniertem Bogensehnengarn. Die Gewichtszunahme erklärt sich aus dem zum Teil hohen Farbauftrag und Sehnenwachs und bedeutet - wer es ganz genau nimmt - Leistungseinbuße
Das heißt, ich habe speziell die Massenzunahme durch Wachsen und Aufbringen von Farbe untersucht. Die Garnkennwerte wurden in Dichteunterschiede des Garnes umgerechnet, die Sehnenmasse ging in einen Wettkampfbogen ein, mit dem die Schützin die 70m Distanz schoß.

Material Masse der Sehne
g
Anfangsgeschwindigkeit
m/s
Ablage auf 70m
m
SK 75 6,4 54,1  0
SK 75, gewachst 7,19 53,9 -0,06
SK 99 6,2 54,2 +0,04
SK 99, gewachst 7,49 53,8 -0,095

Ich behaupte mal kühn, diese Schützin wird keinen Grund sehen, um ihr Visier zu verstellen. Die Gefahr bei praktischen ballistischen Untersuchungen besteht ja immer darin, dass Mephistopheles Statistico heftig mitspielt, Wunschdenken eine Rolle spielt und vor allen Dingen das unausrottbare Mantra "Wer trifft hat Recht" Ich gebe zu, dass ich zu Beginn meines Bogenschützenlebens auch nicht kritisch genug gewesen war.

Als Quelle dieses Artikels dienten
Die Chemieschule und
technische Daten Chemiefasern

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