Bei fast allen Schießsportdisziplinen hat der Schütze sehr wenig Einfluß auf die Innen- wie Außenballistik der Waffe. Aber selbstverständlich wird er sich bemühen, die Munition herauszufinden, die am besten speziell zu seiner individuellen Waffe passt. Bei den Rohrwaffen bzw Kugeldisziplinen bekommt man normalerweise beim Kauf der Waffe ein Treffbild mitgeliefert und die Mun. Sorte, mit der dieses Treffbild geschossen wurde. Damit ist für 99,5% der Schützen dieses Thema erledigt. Die restlichen 0,5% gehen zu einem wirklich kompetenten Fachhändler bzw direkt zur Munitionsfirma und lassen dort in einer Schießmaschine das beste Mun- Los ausschießen.
Bei Pfeil und Bogen ist es wesentlich komplizierter. Erstens kann jeder, auch der technisch-physikalisch Unbedarfteste (das kann auch ein sehr guter Schütze sein, das eine ist vom andern unabhängig) an der Innenballistik des Bogens, genauso wie an der Außenballistik in weiten Grenzen herumbasteln. Je weniger Ahnung er hat, umso unbefangener wird er es tun, und wenn das mit extrem "gesunden" Selbstvertrauen und schießsportlichem Talent zusammenfällt können die Empfehlungen und Ratschläge von dieser Seite katastrophal sein.
Dazu kommt, dass die "Munition" also die Pfeile, gegenüber den Patronen bzw den Geschossen (Druckgaswaffendisziplinen) extrem ungenau ist. Das wird bei den Aluminium Pfeilen weniger zutreffen -Metalle verhalten sich eher isotrop- als bei den Verbundkonstruktionen Aluminiumrohr-Carbonaußenbeschichtung, und bei den reinen Carbonpfeilen wird dieser Unterschied sehr groß sein. Holzpfeile sind in diesem Zusammenhang genauso uninteressant wie Fiberglaspfeile aus der Spielwarenabteilung...
Die ungleichmäßige Herstellgüte der Pfeile ist wohlbekannt. Das wird von Herstellern diverser "Meßgeräte" weidlich ausgenutzt. Im Bereich der elastischen Biegung sind die Geräte teilweise vollkommen unbrauchbar. Da wird z.B. ein "SpineAligner" angeboten für 160.-€, mit dem soll sich feststellen lassen, in welcher Richtung (schwache Seite) sich der Pfeil biegen wird. Die elastische Biegung läßt sich leicht berechnen, auch im dynamischen Bereich. Was sich mit Sicherheit extrem schwer berechnen läßt, ist die Richtung, in der ein Stab elastisch ausknickt. Dazu gehört sehr viel mehr und das wird sich reproduzierbar nicht mit solch einem primitiven Gerät feststellen lassen. Ganz davon abgesehen, dass man für diesen Preis bereits rund 10 ACC Schäfte bekäme... Betrachtet man alle Einflüsse wie individueller Spine, Spinewert über Umfang (Spline), Masse, Massenverteilung, Lage der Befiederung, Güte der Nocken, Gradheit des Schaftes, wird man nicht umhinkommen, bei Carbon-Verbundschäften die einzelnen Pfeile zu bewerten. Noch viel stärker wird diese Forderung bei reinem Carbonschäften sein.Einen Hinweis kann man auch bei den 10m- Armbrustschützen erhalten, die grundsätzlich nur einen Bolzen beim Schießen benutzen. Die 10m Armbrust hat eine Genauigkeit die mit der Genauigkeit eines Wettkampfluftgewehres mithalten kann..
Dieser Artikel wurde von Herrn Bernd Kolmanz gegengelesen, zum großen Teil nachgerechnet und mit ihm bekannter Literatur verglichen. Er fand einen schwerwiegenden Fehler, und ich danke ihm für die hineingesteckte Arbeit herzlich.
Es geht hier nicht um die "Lage" des Trefferbildes. Das ist eine einfache Sache, die mit der Bestimmung des Median oder Zentralwertes und der daraus folgenden Visierverstellung genau genug zu erledigen ist. Dazu braucht es keine Rechner, jeder Trainer sollte dieses Verfahren seinen Schützlingen erklären können. Wer es nicht kann, ist als Bogentrainer ungeeignet.
Dieses Verfahren und der dazu gehörende Aufwand ist für fortgeschrittene Schützen gedacht, die sich sicher sein wollen, dass ihr Pfeilsatz die höchstmögliche Gleichmäßigkeit hat.
Es ist die Zusammenstellung von Formeln, die in der Außenballistik angewendet werden, um Munition hinsichtlich ihrer Güte zu bewerten. Die Grundlage ist die Gaußverteilung. Ich habe versucht, sie so zu strukturieren, dass möglicherweise eine Anwendung in Excel geht, ich selber rechne mit Mathematica von Wolfram Research. Es wird sicherlich preiswerte Rechenprogramme geben, die diese -relativ einfachen- Formeln verarbeiten.
Hier soll die Anwendug der statistischen Formeln an einer fiktiven Trefferverteilung beispielhaft gezeigt werden.
So sähe das aufbereitete Protokoll aus:
Trefferlage:={{2, 2.}, {4, 4}, {4, 7}, {6, 2}, {6.5, 5.5}, {6.5, 9.}, {8, 7.}, {7.5, 8.5}, {9., 10.5}, {9.5, 5}, {11., 8.5}, {11.5, 6}, {9.5, 8.5}, {15.5, 10.5}, {10., 10.}, {12.5, 12}, {15.5, 8}, {15., 10.5}, {16., 15.}, {12., 10.5}}
Es sind Wertepaare, die erste Zahl gibt die Entfernung (beispielsweise) von der linken Kante der Auflage und die zweite die Entfernung von der unteren waagerechten Kante an: {x[[n]],y[[n]]}. "n" ist die lfd Nr, sie bezeichnet exakt den individuellen Punkt. Diese Zahl ändert sich von 1 bis nmax, im Beispiel bis 20.
So sieht die Trefferverteilung in der Grafik aus:
Bild 1
Als erstes wird der mittler Treffpunkt bestimmt. Hier reicht der Median- oder Zentralwert, der zur Visierverstellung benutzt wird nicht mehr aus.
Mittlerer Treffpunkt in der Höhe:
Bild 2
Mittlerer Treffpunkt in der Seite:
Bild 3
Die Standardabweichung ist eine der wichtigsten Größen zur Bewertung von Treffbildern. Unter der Voraussetzung, dass Gaußverteilung vorliegt, liegen zwischen den durch die Standardabweichung vorgegebenen Grenzen rund 70% der Werte.
Standardabweichung in der Höhe:
Bild 4
Standardabweichung in der Seite:
Bild 5
Covarianz
Die Covarianz ist ein Maß inwieweit die Standardabweichungen der Höhe und der Seite voneinander unanhängig sind. Sind sie es, dann liegt die Streuungsellipse senkrecht, sind sie gleich groß, wird aus der Ellipse ein Kreis.
Bild 6
Hilfsgröße "w"
Diese Hilfsgröße macht die Ermittlung der Halbachsen der Streuungsellipse etwas einfacher.
Bild 7
Große Halbachse
Bild 8
Kleine Halbachse
Bild 9
In den Größen für die Halbachsen ist der Faktor "k" enthalten, der bestimmt, wieviel Werte die Streuungsellipse umfassen soll. Ich habe 50% gewählt, das ergibt nach der Literatur einen Wert von k := 1.3863, sollen 90% erfasst werden, muß k := 4.60528 eingesetzt werden.
Der Neigungswinkel der Ellipse
Bild 10
Zur Bestimmung müssen die Koordinaten transformiert werden:
Bild 11
Dies ist die Funktion der 50%igen Streuungsellipse in den kartesischen Koordinaten. Heute ist es keine Problem, diese Funktion im Rechner darzustellen.
Hier ist die Zusammenfassung:
Bild12
In der Grafik sind nicht alle Einzelwerte mehr enthalten, dass ist nur eine Frage des Maßstabes, sie sind nicht unterdrückt sondern nur außerhalb der dargestellten Fläche. Der rote Punkt ist der mittlere Treffpunkt. Innerhalb der Ellipse finden sich 50% aller Treffer. Da nicht nur die Anzahl eingeht, sondern auch die Lage, muß diese Aussage numerisch nicht korrekt sein. Statistik ist nichts für Buchhalter... Je größer die Anzahl der Wertepaare ist, umso stärker wird sich die statistische Aussage dem numerisch korrekten Wert annähern.
Die Achsen der Streuungsellipse stehen natürlich senkrecht aufeinander, in der Grafik sind sie durch die unterschiedlichen Maßstäbe für Ordinate und Abzisse verzerrt.
Selbstverständlich ist dazu die Voraussetzung, dass die Funktionen und Formeln in einem Programm verarbeitet sind. Dieses Programm muß nach Eingabe der Wertepaare selbstständig die Ergebnisse ermitteln
Der oder die Pfeile, die suspekt sind, werden markiert und ganz normal mitgeschossen. Bei der Auswertung werden die Wertepaare dieser Pfeile markiert. Ein "defekter" Pfeil wird sehr schnell und eindeutig identifiziert werden, weil er weit häufiger außerhalb der Streuungsellipse anzufinden sein wird.
Genauso wird es bei systematischer Treffbildaufnahme möglich sein, eindeutig jene Pfeile herauszufinden, die häufig innerhalb dieser Ellipse zu finden sind. Fehler in der Munition sind immer auf Kombinationen verschiedener Einflüsse zurückzuführen und extrem selten auf einen eindeutig erkannten Fehler.
Weiter vorne ist beschrieben, dass die Streungsellipse über die Neigung ihrer Hauptachse auch etwas über den Zusammenhang zwischen senkrechter und waagerechter Streuung aussagt.
Daraus könnte man ableiten, dass sie indirekt den gesamten Schießstil abbildet. Selbstverständlich ist das nur eine sehr vage Aussage und, wenn die Stichproben, sprich Anzahl der Schüsse, pro Trefferbild zu klein ist, Kaffeesatzleserei.
Wird diese Auswertung allerdings sorgfältig über einen längeren Zeitraum durchgeführt, ist hier ein starkes Werkzeug zum Training, zur Verfolgung der Entwicklung eines Schützen gegeben.