Physikalisch-Technische Aspekte des Bogenschießens

Stabilisation des Bogens, zweiter Teil

Vorbemerkung.

Im ersten Teil wurde die physikalische Wirkung der Stabilisation beschrieben. Hier wird jetzt nur die Zeit betrachtet, während der Pfeil beschleunigt wird. Nur auf diese Zeitspanne beziehen sich diese Betrachtungen. Das Hauptaugenmerk ist auf die Rotation gerichtet, dass sich der Bogen translatorisch im Schuß noch zusätzlich zum Schützen hin bewegt, ist trivial (Rückstoß). Diese Auswirkungen sind hier beim Bogen vernachlässigbar.

Nicht vernachlässigbar ist aber die Rotation der Waffe im Schuß und ich werde zeigen,dass die Auswirkungen hinsichtlich des verwendeten Materials und ganz normal auftretender Schießfehler sehr wohl einer eingehenden Betrachtung wert sind. Im diesem Teil werde ich versuchen, quantitativ darauf einzugehen, wie sich bestimmte Anordnungen auf die Bewegung des Bogens im Schuß auswirken. Hier nochmal des Bild, das die Kräfte, Momente und Bewegungen am Bogen während des Schusses zusammemfasst:

Modell

Es wird ein Mittelteil mit einer Masse von 1,1kg (Aluminium) untersucht. Das Trägheitsmoment des Bogens soll um seine Querachse 0,0872905 kgm2 und um seine Hochachse 0.0004kgm2 betragen. Dabei wurden die Wurfarme mit einer Masse von 0,2kg mitberücksichtigt. Als Schußzeit wird die aus der Innenballistik ermittelte Zeit von 0,013s benutzt. Der Bogen dreht sich immer während dieser Zeit um den Druckpunkt. Der Druckpunkt hat in der Normalstellung einen Abstand von 4,5cm zur Auflage des Pfeiles. Mit der Verlagerung des Druckpunktes ändert sich zwar auch das Trägheitsmoment des Mittelteiles um diesen Punkt (Steinersatz) aber die Änderung ist so klein, dass sie bei dieser Untersuchung keine Rolle spielt. Hier die Prinzipskizze, die zeigt, um welche Elemente es hier direkt geht:

Aus der Innenballistik ist die Schußzeit. (Das gilt nicht allgemein, die dazugehörige Differentialgleichung ist nur numerisch lösbar). Mit diesem Werten man kann über den Hebel, das Trägheitsmoment die Winkelbeschleunigung und somit der Drehwinkel des Bogens bestimmen. So sieht die Funktion dazu aus, abgeleitet aus der Kraftweg Funktion des Bogens, hier dargestellt für zwei unterschiedliche Wurfarme, die natürlich auch unterschiedliche Leistungen hatten. Es sind die Winkelbeschleunigungen um die Querachse, dargestellt für das oben beschriebene Mittelteil bestückt mit unterschiedlichen Wurfarmen. Dabei werden die Massen der Wurfarme selber nicht in die Berechnung der Trägheitsmomente mit einbezogen.

Der Versuch, die Winkelbeschleunigung ε(weg) in ε(Zeit) umzuwandeln, schlug fehl. Die daraus entwickelte Differentialgleichung passte nicht, da Randbedingungen (zB ε[0,013]=0) nicht eingehalten werden konnten. Die Winkelbeschleunigung zum Ende der Schußzeit muss 0 sein. Deshalb wurde mit der mittleren Winkelbeschleunigung weitergerechnet.

Und hier die Gleichung zur Ermittlung des durchschnittlichen Wertes:

Θ Trägheitsmoment in kg*m2

ε Winkelbeschleunigung in s-2

H Hebel in m

Hier soll ja nur gezeigt werden, was die Stabilisation bewirkt. Bei dem Bogen mit den linken Wurfarmen (die Mittelteile sind ja gleich) kam als mittlere Winkelberschleunigung ein Wert von 21 s-2 heraus, bei dem rechten 91s.-2

Ergebnisse

Soweit die Grundlagen, nach denen die folgenden Werte gerechnet wurden. Als Stabilisation wurde ein Monostabilisator mit einer Länge von 0,7m, einer Eigenmasse von 0,08kg, und einer zusätzlichen Kopfmasse von 0,100kg angenommen.

Drehung um die Querachse, Auswirkung auf die Höhenstreuung

Die Druckpunktverschiebung betrug 10mm in der Höhe, die Schußzeit 0,013s

Es ist unerheblich, ob die Druckpunktverschiebung nach oben oder unten erfolgt, die Auswirkung bleibt von der Größe her dieselbe. Verschiebt sich der Druckpunkt nach unten weicht die Treffpunktlage des Pfeiles nach unten ab (die Winkelgeschwindigkeit wird größer) und umgekehrt.

Zuerst zwei Winkelwerte, um diesen Winkel dreht sich der Bogen während des Schusses:

Hier die Winkeldrehung bei dem Bogen ohne Stabi: 0,005rad

Hier die Winkeldrehung bei dem Bogen mit Stabi: 0,003rad, also rund 1/3 weniger...
Der stabilisierte Bogen dreht sich also deutlich langsamer als der nichtstabilisierte.

Jetzt die Werte über die zu erwartende Ablage bei 70m, Pfeilgeschwindigkeit 65m/s, Pfeilmasse 0,019kg

1. Bogen ohne Stabi, Druckpunkt verschoben: 0,07m

2. Bogen mit Stabi,Druckpunkt verschoben: 0,04m

3. Bogen mit Stabi, Druckpunkt verschoben, aber die Kopfmasse durch Gummipuffer entkoppelt und damit unwirksam: 0,06m

Bemerkenswert ist der Unterschied zwischen dem Bogen mit Monostabi und ohne in der Trefferablage, die durch einen Haltungsfehler verursacht wird. Dieser Fehler wird allein durch die Stabilisation um fast um die Hälfte reduziert.

Noch bemerkenswerter ist die Wirkung der Entkopplung des Kopfgewichtes. Jetzt wirkt als Stabilisation nur die Stabistange. Praktisch wird fast die gesamte mögliche Verbesserung rückgängig gemacht So ist sehr klar die schädliche Wirkung jeder Art von Gummielementen zu erkennen. Es spielt sogar keine Rolle, wie hart oder weich sie eingestellt sind. Die Schußzeit ist zu kurz und die Beschleunigungen zu hoch.

Selbst bei diesem stark vereinfachten Modell ist die Wirkung der Stabilisation an ihrer wichtigsten Stelle klar zu erkennen.

Drehung um die Hochachse, Auswirkung auf die Seitenstreuung

Hier sind die Auswirkungen einer Druckpunktveränderung und die Wirkung der Stabilisation noch stärker. Der Ausgangspunkt ist ja hier, dass der Druckpunkt genau zentrisch liegen sollte und so kein Hebelarm vorhanden ist. Dazu kommt noch, dass das eigene Trägheitsmoment des Mittelteiles um die Hochachse gegenüber dem um die Querachse extrem klein ist: 0,00035kgm2. Hier wird also die gesamte Stabilisation von dem Monostabi bewirkt. Und natürlich auch von den Seitenstabis, die wiederum auch mit ihrem wirksamen Abstand (senkrecht zur betrachteten Drehachse) genauso wie bei der Querachse wirken.

So ergibt sich aufgrund des kleinen Trägheitsmomentes ohne Stabilisation durch den Monostabi um die Hochachse eine mittlere Winkelbeschleunigung von ε=274 1/s2. Sie würde auf 70m eine Abweichung von rund 1,6m bewirken. Dabei ist eine Druckpunktverschiebung von nur 1 Millimeter in der Seite angenommen.

Mit Stabilisation sinkt diese Abweichung auf 1cm.

Was für die Drehung des Bogens um seine Querachse gesagt wurde, gilt im verstärken Maße, und "verstärkt" bedeutet hier zwei Größenordnungen, auch für die Drehung um die Hochachse.

Schlussbemerkung

Es konnte gezeigt werden, dass die Stabilisation, und dazu zählt jede Masse die starr mit einem nennenswerten Abstand vom Drehpunkt montiert ist, für die Präzision der Waffe extrem wichtig ist. Es konnte ebenfalls gezeigt werden, dass irgendwelche Entkopplungen durch Gummielemente diese wichtige Aufgabe der Stabilisation unwirksam werden lassen.

Irgendwelche Betrachtungen über den statischen Schwerpunkt einer Bogenkonstruktion sind übrigens uninteressant. Die Lage des Schwerpunktes bewirkt nur eine Bewegung des Bogens lange nach Beendigung des Schußvorganges, die keinerlei Auswirkung auf die Präzision hat. Es ist es beispielsweise auch unwirksam, die Gewichtskraft des Visiers ausgleichen zu wollen. Wird die Wirkung des Visieres auf das Trägheitsmoment um Quer- oder Hochachse betrachtet, sieht man sofort, das die Wirkung nur gering sein kann, da die Masse zu nahe Drehpunkt liegt und zu klein ist.

Formel zur Berechnung der Stabilisatorlänge, wenn man Masse oder Länge des Stabilisators ändern will
Stabilisatorlaenge, Formel

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Geändert am 08. Juli 2014. Kritik aus den Diskussion im Bogensportforum wurde übernommen. Danke für die Mitarbeit

Geändert am 08. Juli 2014 Fehler beseitigt

Geändert am 27.12.2014. Da war ein Schreibfehler. Die Masse der Stabistange betrug natürlich nicht 0,8kg, sondern 0,08kg

Geändert am 15. Juli 2016. Nach Hinweis eines Lesers (DANKESCHÖN!) Kraft- und Drehrichtungen richtiggestellt