Schützenkram


Deutsche Schützenzeitung 3/99, 4/99 und 5/99
Der Schützenbund bekommt einen Protektor, einen adligen sogar. Ist das nicht schön? Abgesehen davon, daß sich bei dem Ausdruck "Protektorat" ganz andere Assoziationen ergeben (Reichsprotektorat Böhmen und Mähren!), sollten die Verantwortlichen für die traditionelle Sparte endlich mal ihre Kenntnisse über Geschichte auffrischen und nicht immer wieder den gleichen abgelutschten, durch historische  Forschungen längst widerlegten Unsinn aufwärmen:
Der Ausdruck "Schütze" leitet sich vom "Schießen" ab und nicht vom "Beschützen."

Die Schützengesellschaften wurden von Handwerkern der Städte oder Dörfer gegründet, um die komplizierte Waffe der Armbrust, die außerdem vom Adel und vom Klerus geächtet war (wo kommen wir denn hin, wenn jeder Knecht einen Ritter vom Pferd holen kann!), bedienen zu lernen und und aus Spaß an der Freud damit zu schießen. Daß sich damit auch Zünfte und Gilden gegen Patrizier, Adlige, Erzbischöfe und ähnliche "Edle Herren" zur Abwehr derer Machtansprüche zur Wehr setzten, war natürlich. So waren Mitglieder der Schützengesellschaften eher in Bürgerkriegen (als Bürger zur Abwehr adliger Räuber) eingesetzt, als zur Abwehr äußerer Gefahren.

Diese Angaben sind dem wirklich guten und empfehlenswerten Buch "125 Jahre Rheinischer Schützenbund" entnommen. Ich empfehle, dieses Buch sorgfältig zu lesen, vor allen Dingen die ersten Kapitel. Vielleicht kommt dann machem Schützen (Schießer klingt nicht so gut) die Erkenntnis, daß Tradition Geschichtswissen voraussetzt. Wenn dies so ist, stelle ich hier die Frage, was der Verein Koblenzer Schützengesellschaft als Mitglied des Deutschen Schützenbundes mit dem Adel als Protektor zu tun hat. Der Adel und der Klerus haben Deutschland und Europa lange genug als Protektorat geführt. Wir sollten eigentlich die Nase davon voll haben.
23.Mai 1999.
Die Deutsche Schützenzeitung will ich loben. So waren in der Ausgabe 4 (April) hervorragende Artikel von Beate Dreilich und Uwe Potteck zu finden, die für aktive Schützen sehr interessant waren. Weiterhin wurde zum ersten Mal  im offiziellen Organ des Deutschen Schützenbundes mal etwas handfest Solides über das Traditionsverständnis gesagt. Ich wollte schon meine vorgehende Stänkerei löschen und nur etwas Positives schreiben. Nun kam unglücklicherweise die Ausgabe Mai und darin wurde die Meinung des Präsidenten zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, unter anderem der Sprachforschung kundgetan.  Er leitet aus dem Gebrauch der Hakenbüchse freiweg ab, daß sich der Ausdruck Schütze von Schutz ableitet, weil ja der Bediener der Hakenbüchse ein Schütze war und offensichtlich seine Stadt oder Festung oder was auch immer beschützt hat. Ich verneige mein Haupt in Ehrfurcht vor der zwingenden Logik dieses Gedankenganges, die mir in dieser reinen Form eigentlich nur in den theologischen Ergüssen des Vatikans zur Empfängnisverhütung und zum Schwangerschaftsabbruch bekannt war. Ich bin überzeugt, daß diese Geisteshaltung, die sich anscheinend jeder wissenschaftlichen Erkenntnis versperrt, sofern dadurch nicht die eigene Position gestützt wird, weder dem sportlichen noch dem traditionellen Part des Schützenwesens hilft.  Am Schluß noch eine Anmerkung auf die Lobhudelei von Karl dem Ersten, häufig auch "derGroße" genannt:
Als junger Mann (Früh übt sich... ) raubt er den Kindern seines verstorbenen Bruders das Erbe. Das heißt, seine Macht beruht auf Rechtsbruch.
Sachsengemetzel (wird durch das sehr schöne Wort "Schwertmission" umschrieben) Das herausragende Beispiel ist die Abschlachtung von 4500 gefangenen, wehrlosen Sachsen in Verden an der Aller.
Abschlachtung der Awaren, Bayern, Slawen, Basken, Friesen.
In seiner 46-jährigen Regierungszeit 50 Angriffskriege gegen alle und jeden. Das soll die geistige Grundlage von Europa sein? In meinen Augen unterscheidet sich diese Kriege von den faschistischen Angriffs- und Raubkriegen der Neuzeit überhaupt nicht. In beiden Fällen ist maßlose Machtgier und ideologische Verblendung die Ursache. Im Falle Karl des Ersten ist es sogar noch schlimmer, denn er beruft sich immer auf das Christentum, das ja immerhin schon fast 500 Jahre Staatsreligion ist. Ich wehre mich gegen diese einäugige Lobhudelei von adligen Verbrechern und Geschichtsklitterung, die schon garnicht in Sportverbänden etwas zu suchen hat. Das im Entstehen begriffene neue Europa sollte andere Helden haben.