Linkshand/Rechtshand, Leitauge

Vorbemerkung

Wie soll der Anfänger Bogenschießen lernen? Soll er mit der linken Hand den Bogen halten, oder mit der rechten? Das ist doch ganz einfach, nicht wahr?
Der Rechtshänder hält mit der linken Hand den Bogen, der Linkshänder mit der rechten. Und genau diese vermeintlich einfache Lösung ist falsch.

Es kommt nämlich überhaupt nicht darauf an, ob der Anfänger*in Links- oder Rechtshänder ist. Viel wichtiger ist das Leitauge, oder das sog. "Dominante" Auge.
Mit beiden Augen ist es möglich, räumlich zu sehen, aber trotzdem gibt der Zentralrechner (das Gehirn) nur über das Leitauge die Richtung vor (Zeigen) bzw. richtet das optische System auf eine Richtung (Aufmerksamkeit) aus.

anektotische Evidenz

Meine Enkelin Lea ist linkshändisch (aber sowas von) und -wohlgemerkt- sehr geschickt. Klar, dass ihr von Omma und Oppa so früh wie möglich Bogenschießen beigebracht wurde. Sie hat (immer noch) richtig Spass daran. Es begann mit Cloudschießen (Eine Adobe Flash Datei), und klar, sie hielt den Bogen wie eine Linkshänderin das eben so tut, bzw wie man es einem Linkshänder*in beibringt. Es war ein Riesenspass für das vierjährige Mädchen...

Tja... Später wollte sie dann auch treffen... Und sie traf um's Verrecken nicht. Manchmal super, und dann saugrob daneben. Und das frustrierte. Ich hatte bei ihr keinen Leitaugentest gemacht weil ich eben felsenfest davon überzeugt war, so eine ausgeprägte Linkshänderin hat ihr Leitauge eben links.

Ja, dann machte ich doch die Teste mit ihr und heftige Überraschung, ihr Leitauge war rechts. Rechtshandbogen in die Hand gedrückt und schon war dieser Spuk vergessen. Sie traf.
Bild 1
und Bild 2

Der Schluss ist ganz klar: Rechts- und Linkshändigkeit ist eben nicht zwangsläufig mit der Lage des Leitauges verkoppelt. Rechtshänder haben nach meiner Erfahrung häufig (meine Frau und ich bringen seit 10 Jahren in soliden Anfängerkursen -nein, keine "Schnupper"kurse- am Bogenschießen Interessierten das Bogenschießen bei), das Leitauge links und umgekehrt.

Das Leitauge beim Visieren

Egal, ob mit beiden Augen offen oder das nichtzielende Auge zugekniffen:
Die Visierlinie wird immer folgende Komponenten enthalten müssen: Leitauge - Sehne oder Peepsight - Visierkorn oder Pfeilspitze - Zielpunkt.
Der Vorgang des Visierens selber ist hier ausführlich beschrieben. Sog. Instinktives oder intuitives Bogenschießen wird hier nicht behandelt.

Daraus folgt zwingend, dass das Leitauge die Händigkeit des Bogens bestimmt: Wenn das Leitauge links ist, hat der Bogenschütze*in den Bogen mit der rechten Hand zu halten und umgekehrt.

Test des Leitauges

Haupttest

Die Testperson steht mit beiden Beinen auf der Schießlinie, die Füße parallel. Sie hält mit beiden Händen ein Stück graue Pappe (z.B. eine Luftpistolenscheibe, aber mit der Kreischeibe nach vorne, also so, dass sie nur die graue Fläche sieht) in die in die Mitte ein ca 1cm großes Loch geschnitten ist, mit ausgestreckten Armen vor ihr Gesicht und peilt durch das Loch einen mindestens 18m entfernten relativ keinen Zielpunkt (z.B. eine Luftpistolenscheibe) an.
Beide Augen sind weit geöffnet.
Jetzt zieht sie gleichmäßig und zügig diese Scheibe zu ihrem Gesicht und behält durch das Loch in der Pappscheibe immer den Zielpunkt im Auge. Wichtig: während dieses Testes müssen beide Augen aufbleiben, und das muß durch den Tester, der schräg vor ihr steht, überprüft werden.

Der Test ist beendet, wenn die Pappscheibe die Nasenspitze der Testperson berührt. Das Loch in der Mitte der Scheibe steht exaktemente vor dem Leitauge.

Überprüfung/Daumensprung

Die Testperson steht mit beiden Beinen auf der Schießlinie, die Füße parallel.
Beide Augen sind weit geöffnet.
Mit beiden Augen weit geöffnet, zeigt die Testperson auf den Zielpunkt. Der Tester sagt "rechtes Auge schließen". War das das Leitauge "springt" der Zeigefinger nach links. Der Arm wird wieder abgesenkt, wieder zeigt die Testperson auf den Zielpunkt, der Tester sagt, "Linkes Auge schließen". War das rechte Auge das Leitauge, bleibt der Zeigefinger auf dem Zielpunkt.
Diese Teste sind mehrmals durchzuführen, dabei ist die Testperson genau zu beobachten. Es ist interessant, wie häufig Menschen versuchen, zu mogeln. Ich kann zwar keinen Grund nennen, aber es ist so.

Andererseits kann es aber auch sein, dass die Testperson bei diesem Test das Leitauge garnicht schließen kann. Dann muß der Tester, wiederum mit einem Stück grauer Pappe in die kein Loch geschnitten ist, das Leitauge auf und abblenden um der Testperson diesen "Springen", beim Militär nennt man es "Daumensprung" zu zeigen.
Mit diesem "Daumensprung" ist es möglich die Entfernung zu einem Zielpunkt (Fahrzeug, Gebäude, Schiff) recht gut abzuschätzen, wenn denn die Länge des Objektes bekannt ist...

Diskussion

Wenn die Teste genau widerspruchsfrei verlaufen, ist alles klar, dem Schützen*in wird die passende Ausrüstung zugeteilt und die Ausbildung geht los. Ab und zu ist es aber nicht so einfach. Da ist das Leitauge nicht ganz eindeutig oder, allerdings selten, indifferend. In den Fällen richten wir uns nach der Händigkeit, und während der Ausbildung wird mit einer Augenklappe für das nicht zielende Auge geschossen. Das empfehlen wir auch Schützen*innen, die aus irgendwelchen anderen Gründen nicht mit dem festgestellten Leitauge schießen wollen. Ein extremes Rausdrehen des Visierpins ist Blödsinn, denn da fehlt dann wirklich die Sehne als Visierhilfsmittel. Aber hier gilt dann auch, jedem Tierchen sein Pläsierchen. Bestimmte Leute müssen durch eigene Erfahrung klug werden.

Zu diesem Artikel gehört
Das Visieren mit dem olympischen Recurvebogen

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