Der Klicker ist im einfachsten Fall eine federnde Metallzunge, die über den im Bogen aufgelegten Pfeil gelegt wird. Wird der Bogen gespannt, wird der Pfeil unter der Metallzunge durchgezogen, bis die Pfeilspitze sie freigibt und die Metallzunge an den Bogen anschlägt. Das dabei entstehende Geräusch ("Klick!") gibt dem Schützen ein Signal, dass er weit genug gespannt hat und "Lösen", dh. den Pfeil abschießen kann.
Ursprünglich war der Klicker eine reine Auszugskontrolle, dem früher auch verwendeten Spiegel überlegen, da der Blick nicht aus der Visierlinie herausgenommen und auf den kleinen Spiegel gerichtet werden mußte, und auch dass das akustische Signal gegenüber dem von den aktuellen Lichtverhältnissen abhängigen optischen Signal klar und eineindeutig ist. Schnell stellte sich aber heraus, dass der Klicker eine weit wichtigere Rolle übernimmt, nämlich dem Gehirn ein klares Signal sendet, den Schuß zu exekutieren.
Zur Untersuchung wurden die technischen Daten der Ausrüstung einer ausgebildeten Schützin, L****, genommen.
Auszugsweg: 0,616m
Anfangsgeschwindigkeit des Pfeiles: 56,4m/s
Endhaltekraft: 130N (29,2lbs)
Abgangswinkel bei Schußentfernung 70m: 6,92°
Pfeiltyp ACE 1000, Pfeilmasse 0,01594kg
Es wurde untersucht, wie weit sich die vertikale Ablage des Treffers ändert, wenn der Auszugsweg um ± 10mm geändert wird. Die Annahme von einer Gesamtschwankung von 20mm ist bei einer gut ausgebildeten Schützin gerechtfertigt. Sie wird praktisch eher im Millimeterbereich liegen. Die Endhaltekraft änderte sich übrigens innerhalb diese Bereiches nicht. Die Auszugskurve verläuft bei dieser Konfiguration sehr flach. Mit Absicht wurde eine Schützin mit einem relativ schwachen Bogen gewählt. Wird die Pfeilgeschwindigkeit höher, wird die Rasanz der Flugbahn größer (sie wird flacher) und damit der Einfluß evlt. Geschwindigkeitsschwankungen geringer. Die Grundlagen meiner Abschätzungen sind hier auf meiner Website nachzulesen.
Auszugswegänderung | Geschwindigkeit | Ablage 70m | Ablage 18m |
mm | m/s | m | m |
-10 | 55,2 | -0,34 | -0,018 |
-5 | 55,8 | -0,16 | -0,007 |
0 | 56,4 | 0 | 0 |
+5 | 56,9 | +0,16 | 0,010 |
+10 | 57,3 | +0,33 | 0,02 |
Es zeigte sich sehr schnell, dass hier nicht der Grund liegen konnte, weshalb die Schützen, die mit Klicker schossen immer deutlich bessere Ergebnisse hatten als diejenigen, die ohne Klicker bzw mit Spiegel schossen. Der Klicker setzte sich rasend schnell durch. Mir sind keine Weltklasseschützen bekannt (beim olympischen Recurve) die ohne Klicker schießen.
Daher wird der Ansatz, den Klicker als Kontrolle des Auszuges zu verwenden, hier nicht mehr weiterverfolgt
Hier einige Zitate/Verweise über Antizipation, Willensfreiheit und über die Zeitabläufe im Gehirn.
Bewegungslehre, Curt Meinel, Volk und Wissen, 1977, Seite 84/85, Zitat:
Die Antizipation, die Vorausnahme noch nicht eingetretener und noch nicht abgeschlossener Ereignisse, ist ein
umfassendes Prinzip der menschlichen Tätigkeit schlechthin....
....daß im sportlichen Handeln nicht nur eine Resultatvorausnahme (Zielantizipation) sondern bereits auch eine Programmvorausnahme
(Antizipation eines Handlungsprogrammes) erfolgt
Zitat "Die Zeit", 2008:
Der Befund von Libet ist damit nicht nur bestätigt, sondern sogar noch mächtig verschärft: Das Gehirn wird nicht erst 0,3,
sondern volle 10 Sekunden vor einer als bewusst erlebten Entscheidung aktiv. Eine Ewigkeit!
Zitat "Spectrum der Wissenschaft" 2012
Bereits etwa sieben bis acht Sekunden vor einer Entscheidung können wir diese anhand der gemessenen Hirnaktivität vorhersagen.
Allerdings weist die Kernspintomografie eine drei- bis viersekündige Verzögerung auf.
Das bedeutet, es vergehen tatsächlich mindestens zehn Sekunden, bevor die Information zu einer Entscheidung im Gehirn präsent ist.
Trainierbarkeit der Reaktionszeit, "Psychologie für Sportschützen", Hannes Kratzer, Abschn. 2.3.1 Reaktionsfähigkeit
Reaktionszeit bei optischen und akustischen Signalen, Sportwissenschaft
Die Schlußfolgerungen, die aus diesen Tatsachen zu ziehen sind, wären:
Diese Zeitabläufe sollen in einem einfachen Modell verarbeitet werden, die Grundlage des Modelles ist ein einfacher Regelkreis. Man könnte diesen Regelkreis beliebig komplex machen, vermaschen (es werden verschiedene Regelkreise zu einem Maschennetz verbunden), nur werden daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit keine neuen Erkenntnisse zu gewinnen sein. Das Zusammenspiel zwischen den optischen, akustischen und taktilen Signalen zur Auslösung des Schusses ist meiner Meinung nach überhaupt nicht erforscht. Mir sind jedenfalls (außer den zeitlichen Zusammenhängen) keine Arbeiten bekannt. Ich werde mich darauf beschränken, in dem Modell den zeitlichen Ablauf einzubauen und die daraus folgenden Konsequenzen für Ausbildung und Training aufzuzeigen.
Bild 1
Hier sind die Zusammenhänge in einfachster Form dargestellt. Das Bewußtsein taucht nur als Störgröße auf, die Zeiten und Zeitkonstanten die zur Beurteilung eines Regelkreises notwendig sind, können nicht dargestellt werden. Weiter ist hier nur der optische Anteil gezeigt, selbstverständlich werden die Signale, die aus dem taktilen und akustischem Bereich kommen, in ähnlicher Weise und untereinander vermascht, verarbeitet.
Im nächsten Bild sind die zeitlichen Zusammenhänge grafisch dargestellt. Als Beispiel wurden die vertikalen Schwankungen des Visierkornes, wie sie sich bei einem guten Schützen im Zeitablauf zeigen würden, dargestellt.
Bild 2
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass in der hier beschriebenen Wirkungsweise der Grund zu suchen ist, weshalb bei richtiger Verwendung des Klickers die ungewöhnliche Verbesserung der Schießergebnisse zu suchen ist. Er bricht das Durchlaufen des Regelkreises zum optimalen Zeitpunkt ab. Jeder bewußte Eingriff in diese Funktion wird zur signifikannten Verschlechterung der Schießergebnisse führen.
Der Ausbilder hat durch sorgfältige Beobachtung der Auszugslänge und des Anschlages dafür zu sorgen, dass die Auszugslänge und damit der Abstand des Klickers vom Pfeilanlagepunkt (Button) ermittelt wird. Das kann er nur tun, indem er über einen längeren Zeitraum (20-30 Schuß) den Auszubildenden von der Seite beobachtet.
Ist der Klicker eingestellt, muß diese Beobachtung weiter erfolgen. Der Auszubildende muß konsequent daran gewöhnt werden, "Auf Klick" zu lösen. Die Antizipation muß konsequent eingeprägt werden. Er muß lernen, sein Ziel- und Auszugsverhalten so zu koordinieren und zu optimieren, dass beim Klickerfall das Visierkorn in seiner Haltefläche steht. Das ist mit Schießen auf 10m mit einem Zielpunkt abwechselnd mit geschlossenen und offenen Augen zu trainieren. Keinesfalls können Schüsse geduldet werden, die eindeutig bei "nach Klick" fallen. Der Ausbilder hat sich die persönlichen Reaktionszeiten seiner Auszubildenden zu merken. Das ist möglich und klingt schwieriger als es in Wirklichkeit ist.
Schießen ohne Zielpunkt ist nur sinnvoll
Unter diesem Ausdruck versteht man technisches Training, bei dem nicht auf "Klick" geschossen wird, sondern noch 5-10mm
weiter gespannt und dann gelöst wird. Man will damit erreichen, dass der Schütze auch nach dem Schuß noch weiterspannt wenn er auf "Klick" löst.
Da liegt ein grundsätzliches Mißverständnis der wirkenden Mechanik und der dazugehörigen Zeitabläufe vor:
Löst der Schütze, werden ja nur die Beugemuskeln der Zughand entspannt, die starken Rückenmuskeln spannen weiter und die freiwerdenden
Drehmomente drehen den Zugoberarm/Bogenarm auf kreisförmigen Raumkurven weiter. Das ist ein dynamischer Vorgang der nicht durch den quasistatischen
Vorgang des "Weiterspannens" ersetzt werden kann.
Dieses Training ist sinnlos und leider noch mehr, es ist absolut schädlich:
Damit wird die mühsam antrainierte Antizipation und Koordination, mit dem der Regelkreis konditioniert wurde, zunichte gemacht.
Wie man versuchen kann, schlimme Schießfehler (Target Panic) zu heilen, ist hier, in diesem Beitrag beschrieben. Der "verlängerte Schuß" eignet sich auf keinen Fall dafür und wird das Problem nur noch verstärken.
Ich habe versucht, die Funktion des Klickers auch unter modernen Erkenntnissen der Neurowissenschaften zu beschreiben. Daß diese Beschreibung
fehlerhaft sein wird, ist mir bewußt, das wird bei einer laienhaften Beschreibung eines komplexen Themas nicht ausbleiben.
Dieses Risiko gehe ich ein.
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