Targetpanic ist das nicht gewollte, reflexartige Auslösen des Schusses, speziell wenn sich das Visier der Haltefläche nähert. Diesen Ausdruck werde ich aber auch übergeordnet weiterverwenden.
Goldangst bezeichnet das Unvermögen, die Visierlinie auf das Ziel auszurichten. Mit "Gold" ist hier die traditionelle Farbe "Gelb" auf den offiziellen Schießscheiben des formalen Scheibenschießens mit Pfeil- und Bogen gemeint.
Freezing nennt man das Unvermögen des Schützen, den Schuß unbewußt auszulösen, wenn seine Visierlinie sich bereits im Halteraum befindet. Das Lösen ist daher nur durch eine bewußte Handlung möglich. Möglicherweise wird Freezing durch bewußtes "Warten" auf das Klickergeräusch verursacht.
Zielen mit der Waffe, die eine Visiereinrichtung hat, bedeutet, die innere Visierlinie, gebildet aus Visierkorn- Kimme, bzw. beim Bogen Sehne oder Peepsight- Auge mit der äußeren Visierlinie Ziel- Auge in Übereinstimmung, (Koinzidenz) zu bringen
Das Visierbild wird beim Bogen aus dem Visierkorn und der Sehne (beim Compound Peepsight) gebildet. Dabei ist das Visierkorn scharf zu sehen, die Sehne bzw das Peepsight ist unscharf weil sie zu nahe am Auge und somit in dessen Unschärfebereich liegen.
Mit Visierkorn ist hier der Teil der Visiereinrichtung gemeint, der zwar an der Waffe befestigt, aber am weitesten vom Auge entfernt ist. Das Visierkorn ist in der Höhe und Seite verstellbar
Die Teile der Visiereinrichtung sind dem Zielauge am nächsten. In fast allen Fällen sind diese Teile seitlich verstellbar. Übernimmt die Sehne diesen Part, kann ihre Lage nur durch Änderung des Anschlages bzw Kopfdrehung um die Senkrechte geändert werden.
Die Haltefläche oder häufig auch Halteraum genannt bezeichnet die Fläche innerhalb derer sich das innere Visierbild bewegt. Diese Fläche ist sehr stark vom Ausbildungsstand und der Tagesform des Schützen abhängig. sie läßt sich daher nicht an einem bestimmten Tag willentlich ändern. Diese Haltefläche ist auf den Lehrpostern des DSB sehr schön optisch durch die Bewegung des montierten Lasers dargestellt.
Mit Schußzeit ist hier die physiologische Schußzeit gemeint, nicht die innenballistische. Meine Zahlenangaben beziehen sich
auf
Start:
Beginn des Spannens nach dem Voranschlag, d.h. der Bogen ist bereits auf das Ziel ausgerichtet
Stop
Auslösen des Schusses, Klickerfall
Der Zeitrahmen ist individuell unterschiedlich. Er liegt zwischen 4 und 7 Sekunden. Allgemein liegt die Erfahrung vor
"Je kürzer die Zeit, umso besser ist das Treffbild".
Diese Aussage gilt natürlich nur, wenn hochkonzentriert geschossen wird und ist sehr stark individuell unterschiedlich.Hier ist der Versuch, den komplexen Ablauf des Schießens mit Pfeil und Bogen darzustellen. Nicht unbedingt zeigt es den tatsächlich zeitlichen Ablauf. Dieses Modell ist extrem einfach gehalten und wird mit den tatsächlichen Vorgängen nur sehr schwach übereinstimmen. Im Realfall werden viele Vorgänge parallel/zeitgleich ablaufen, es werden sehr viel mehr Rückkopplungen da sein, es werden unterschiedliche Zeiten in Anspruch genommen. Es dient dazu, etwas Ordnung in die Betrachtung zu bringen und um Diskussionen zu erleichtern.
Bild 1
Der rote Kreis beinhaltet die Handlungen im Unbewußten, alles andere steuert das Bewußtsein. Nach neuen Erkenntnissen der Neurobiologen greift aber das Unbewußte weit vorher in die Steuerung des Bewußtseins ein. Viele Bewegungen werden unbewußt, aber trotzdem einem Ziel untergeordnet, durchgeführt. Sehr schön und anschaulich ist das in dem Buch "Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten" von Gerhard Roth dargestellt.
Das bedeutet, dass bereits weit vorher das Unbewußte den Zeitpunkt festlegt, wann der Klicker fällt und somit der Schuß ausgelöst wird. Das Unbewußte greift also weit vorher in den bewußten Teil des Handelns ein, ohne dass die Person es bemerken kann. Die Überschneidungen zwischen "bewußt" und "unbewußt" werden daher dynamisch sein.
Beim Lernen von Bogenschießen tritt Targetpanic nicht auf. Der Lernende zielt und löst vollkommen unbefangen, wenn der erste Pfeil geflogen ist. Außerdem kann man feststellen, dass bei Schützen mit Symptomen von Targetpanic häufig (fast immer) diese nicht auftritt, wenn nur die Zielscheibe (Auflage) geändert wird, dh. wenn die offizielle Auflage heruntergenommen wird und durch einen neutralen Zielpunkt (Luftpistolenauflage, 50 m KK Auflage oder bei 70/90m Duell- oder Schnellfeuerauflage für Sportpistole) ersetzt wird.
Wird dem Schützen ein Ziel vorgegeben, eine Leistungsgrenze, die er erreichen oder überschreiten soll, tritt auch bei den Übungsauflagen Target Panic auf.
Das heißt, dass Targetpanic nur dann auftritt, wenn der Schütze an sich selber Leistungsforderungen stellt, oder das Erreichen einer bestimmten Leistung von anderen gefordert wird.
Der Auslöser von Target Panic wäre dann, allgemein gesagt, die Forderung nach Leistung.
Das alleine wird es nicht sein, im Sport ist immer Leistung, der Wunsch, es besser zu können als der andere ein starkes Motivierungsmomentum.
Es muß noch etwas dazukommen, und das wird die Angst sein zu versagen. Im Grunde ist ja genau diese Angst die Triebfeder es dann wenn es nicht so gut läuft, sich willentlich anzustrengen um es besser zu machen, den Rückstand aufzuholen.
Im Schießsport hat aber ein anderes Verhalten Priorität und das wäre, dass soweit wie möglich der konditionierte Bewegungsablauf eingehalten werden muß und zwar mit hoher Genauigkeit. Am Besten ist es m.M. nach vergleichbar mit technischen Leichtathletikdisziplinen wie Speerwurf, Hochsprung und im extrem starken Maß Stabhochsprung. Hier wird aber diese Forderung im Vergleich zum Schießsport nicht kontinuierlich über den gesamten Wettkampf 30, 40 oder 144 mal gefordert sondern wesentlich weniger.
Zusätzlich kommt dazu, dass der Idealfall, nämlich das innere Visierbild über eine bestimmte Zeit unabänderlich an der gleichen Stelle zu halten , nicht möglich ist, weil der natürliche Tremor, möglicherweise schon der Herzschlag ausreicht, dass sich das Visierbild innerhalb der Haltefläche bewegt. Diese nicht zu verhindernde Bewegung kann Unsicherheit erzeugen, und Unsicherheit löst Versagensängste aus.
Ich beschreibe den Entscheidungs/Handlungsprozeß im Gehirn mit dem Modell des Regelkreises. Dieses Modell kann nur als Metapher genommen werden und wird der komplexen Vielschichtigkeit, dem Zusammenwirken von unbewußten und bewußtem Handeln auch nicht andeutungsweise gerecht. Aus diesem Grunde ist die Darstellung so gehalten, dass sie auch visuell den Eindruck vermittelt, eben nur ein "Merkzettel" zu sein, also eine Grundlage für die Diskussion über die Verfahrensabläufe, mit denen Target Panic beseitigt werden kann.
Bild 2
In diesem Modell taucht das "Bewußtsein" nur als "Störgröße" auf, die das Einschwingen und damit die weiche Schleifenbildung der Spur des Ausrichtepunktes in der Haltefläche stört. Dort erkennt man die Einwirkung des Bewußtseins an einer scharfen "Hakenbildung". Dieser Weg des Haltepunktes ist sehr schön auf den Lehrpostern des Deutschen Schützenbundes zu sehen, meine Schlußfolgerung daraus ist allerdings Spekulation.
Die einzelnen Blöcke im Regelkreis werden unterschiedliche Ansprechzeiten (Zeitkonstanten) haben, und diese Zeiten sind dem Unbewußten bekannt, das Bewußte kennt sie aber nicht. Das gibt hübsche Überraschungen, da das Unbewußte einen Wissensvorsprung hat und deshalb besser planen kann.
Wo Target Panic ihren Ursprung hat, wird an der Art liegen. Target Panic im engen Sinn (Siehe oben) wird zwischen den Elementen 12;13;14 in Bild 1 ihren Ursprung haben, während Goldangst und Freezing im Bereich 14;15;17;18 Bild 1 liegen wird.
Dabei geht es nicht um banale Schießfehler wie das Hochkommen der Schultergelenke bei zu langem Spannen oder zu früher Abbruch der Konzentration, also Fehler, die von außen durch einen erfahrenen Beobachter relativ leicht zu erkennen sind. Die Gründe für Target Panic (im allgemeinen Sinn) sind nicht von außen zu sehen.
Es gibt keine allgemeingültigen Verfahren Target Panic zu beseitigen. Jedes Verfahren muß zwischen Ausbilder und Schütze gründlich abgesprochen
und von beiden Seiten angenommen und akzeptiert sein, denn der Ausbilder kennt nicht die Vorgänge im Gehirn des Schützen und der
Schütze kennt nicht genau genug seinen Bewegungsablauf.
Weiter muß -klar- unterschieden werden, welche Bogendisziplinen geschossen
werden. Target Panic bei Blankbogenschützen ist anders zu behandeln als beim Visier-Recurveschützen. Der Compoundschütze findet erstklassige
Hinweise in den einschlägigen Lehrbüchern über sportliches Pistolenschießen. Stichwort: "Der verlorene Schuß". Aus diesem Grunde werden
die speziellen Probleme der Compoundschützen hier nicht näher behandelt.
Alle hier beschriebenen Maßnahmen dienen der Konditionierung des inneren Regelkreises.
Dabei wird davon ausgegangen, dass der Schütze einen festen, gut ausgebildeten Schießstil hat. Für Anfänger sind diese Maßnahmen ungeeignet. Sie haben ganz andere Baustellen als Targetpanic:Der Schütze spannt ohne Klicker. Der Ausbilder steht neben ihm und beobachtet seine Auszugsgeschwindigkeit. Überschreitet die Pfeilspitze die vom Klicker vorgegebene Auszugslänge, macht der Ausbilder mit beispielsweise einem "Knackfrosch" ein Auslösegeräusch, das dem Schützen vorher als Schußauslösung bekannt gegeben ist. Der zusätzliche Auszug sollte dabei 5-7mm nicht übersteigen und die Schußzeit soll 6-7 Sekunden nicht überschreiten. Dieser zusätzliche Auszug soll so variiert werden, dass insgesamt ein zufällige Verteilung herauskommt. Das ist sehr wichtig. Als Geräuschgeber eignet sich hervorragend ein Zollstock, bei dem ein Glied abgehoben wird und zum gewünschten Zeitpunkt gegen die restlichen Glieder des Zollstockes schnappt. Händeklatschen geht nicht gut, da der Schütze die Bewegung wahrnimmt. Genauso eignen sich verbale Befehle wie "Hepp!" oder "Jetzt!" oder "Los!" überhaupt nicht.
Hinsichtlich der Entfernung gelten natürlich die gleichen Bedingungen wie beim Blankbogen. Eine Einheit muß erst erfolgreich abgeschlossen werden, bevor der nächste Schritt erfolgt. Als nächster Schritt erfolgt auf 10m ein Auslösen des Schusses fremd exakt bei Klickerstellung und beim nächsten Schuß durch den eigenen Klicker. Erst wenn das problemlos klappt, wird ab hier mit dem Schießen auf Wettkampfauflagen begonnen.
Jetzt werden die einzelnen Wettkampfentfernungen einmal mit neutralen und dann mit den offiziellen Auflagen geschossen, und dem Schützen werden Vorgaben durch den Ausbilder gemacht. Hervorragend eignet sich das Stufentraining dazu, bei dem jeweil für 6 Pfeile eine Forderung gestellt wird, und die nächste Stufe nur begonnen werden darf, wenn die vorhergehende erreicht wird.
Der Schütze beginnt auf 10m mit seinem Klicker ohne Zielpunkt zu schießen. Unter Beobachtung schießt er mit geschlossenen oder offenen Augen.
Der Ausbilder gibt dabei während des Spannens vor, ob und wann die Augen geschlossen werden. Das wird zweckmäßigerweise kurz vor dem Erreichen des Anschlages
sein. Auch dabei sollte ein Zufallsprinzip eingehalten werden, d.h der Schütze soll nicht vor dem Spannen wissen, ob er mit geschlossenen oder
offenen Augen schießen muß. Nach dieser Übung geht es genau wie beim Blankbogen weiter. Der Schütze schießt ohne Klicker auf die neutrale Zielauflage und nur auf
ein fremdes Kommando auf 10 m. Klappt das gut, schießt der Schütze mit Klicker auf die Auflage und das über ein bis zwei Trainingseinheiten.
Stellt sich wieder Goldangst ein, wird mit Auflage, mit eigenem Klicker und mit geschlossenen Augen (nur unter Aufsicht!!!!) auf 10m geschossen.
Das wird mehrere Trainingseinheiten durchgeführt. Dann wird nach den Angaben für Blankbogenschützen weitergearbeitet, nur dass jetzt
wieder der eigene Klicker benutzt wird. Klappt es nicht, muß wieder bei 10 m, neutraler Zielauflage und geschlossene Augen begonnen werden.
It's a hard way to tipperary, it's a hard way to go... und
Nur die Harten kommen in den Garten...
Das ist eine der unangenehmsten Formen von Target Panic. Der Auszug bleibt 1 oder 0,5mm vor dem Klicker stehen und nichts rührt sich mehr. Häufig wird dann durch den Klicker geschossen und zu Beginn ist oft Glück dabei und der Schuß vom Ergebnis her nicht besonders schlecht. Damit wird der interne Regelkreis des Schützen noch stärker durcheinandergebracht, die Treffer werden katastrophal schlecht und er muß in den meisten Fällen den Wettkampf beenden. Unterstützt wird das teilweise noch durch hirnrissige Herstelleraussagen, in denen beispielsweise suggeriert wird, dass der Schuß durch den Magnetklicker immer noch eine Zehn wird.
Hier wird davon ausgegangen, dass die Auszugslänge und damit die Klickerstellung wirklich klar und sicher ermittelt wurde. Die Verstellung des Klickers nach vorne, also zum Ziel hin, (Auszugsverkürzung) bringt keine Lösung, nach wenigen Schüssen tritt das gleiche Problem wieder auf.
Es kann sein, dass die anthropometrischen Gegebenheiten bei einem Schützen so sind, dass er, selbst wenn er den Zugellbogen weiter dreht, beim Auszug keine Änderung mehr erfolgt. Das könnte bei Schützen, bei denen der Anschlag sehr nahe an der Schulterlinie, Bild2, liegt, auftreten. In dem Fall sollte grundsätzlich die Haltung korrigiert werden, d.h. der Anschlagpunkt sollte um 5-10mm nach vorne versetzt werden. Selbstverständlich muß dann auch der Klicker um den gleichen Betrag nach vorne verschoben werden. Die Begründung ergibt sich aus den geometrischen Verhältnissen, Bild 3
Der Start ist bei 10m mit Zielpunkt. Hier schießt der Schütze mit geschlossenen Augen jeweils einen Schuß mit seinen eigenen Klicker und einen mit Fremdauslösung (wie weiter oben beschrieben) durch den Ausbilder. Die Fremdauslösung erfolgt nur, wenn der Schütze 2-5mm über seinen eigentlichen Auszug gespannt hat. Diese Trainingseinheit ist anfangs sehr häufig durchzuführen. Danach sollte der Schütze auf 18m auf die offizielle Wettkampfscheibe Stufentraining durchführen, das heißt, jeweils mit 6 Pfeilen gestellte Leistungsaufgaben erfüllen. Diese Leistungskontrolle, die mit der Zeit immer schärfer werden sollte, ist die einzige Möglichkeit zu überprüfen, ob Freezing nicht mehr auftritt. Am Ende scharfer Leistungskontrollen dürfte die Teilnahme an Wettkämpfen wieder erfolgversprechend sein.
Ich habe versucht, Target Panic zu definieren und an Hand dieser Definitionen Wege aufzuzeigen, um ihrer Herr zu werden. Diese
Wege sind zwar erfolgversprechend, aber:
Tritt Target Panic bei hohem Leistungsstand auf, sinken die Chancen nur durch solche Trainingseinheiten sie abzustellen. Dann wird nichts
anderes übrigbleiben als unterstützende Arbeit von Psychologen in Anspruch zu nehmen. Die Kosten hierfür übernimmt keine Krankenkasse.
Eine andere Möglichkeit ist möglicherweise, durch Hypnose weiterzukommen. Aber auch das wird Zeit und Geld kosten und eine Erfolgsgarantie gibt es auch hier nicht.
Dieser Artikel wurde von Herrn Bernd Kolmanz gegengelesen. Ich habe seine Anregungen soweit es mir möglich war verabeitet und danke ihm für seine
Hilfe herzlich. Bei so einem komplexen Thema kommen eigene Zweifel auf, und es ist unglaublich hilfreich wenn ein anderer unbefangen
und kritisch mitliest.
Herzlichen Dank.
Geändert am 12. Juli 2016. "6.2.3 Freezing" Hinweis auf anthropometrische Gegebenheiten aufgenommen.
In "Bogenschießen", Haidn u.a., 2. Auflage habe ich einen sehr interessanten Absatz über Target Panic ab Seite 530 "Komplexes Beispiel: Goldangst oder Scheibenpanic" gefunden. In Verbindung mit den "neurophysiologischen Grundlagen, Seite 98-108" findet sich hier eine gute wissenschaftliche und trotzdem noch lesbare Ergänzung zu meinem Artikel. Zu diesen Abschnitten passen auch sehr gut die Aussagen von Markus Wagner.