Die erste und dritte Behauptung soll hier untersucht werden, die zweite ist eine plausible Vermutung. Welchen Einfluss hat die Wurfarmmasse überhaupt auf die Ballistik? Ich habe vier Wurfarmlängen, deren dynamische Wurfarmmassen bekannt sind (selbstverständlich können sie nach oben oder unten abweichen, je nach Qualität)auf ihren Einfluss auf die Treffpunktlage auf 90m untersucht. Selbstverständlich blieben alle anderen Größen, wie Auszugsdiagramm, Sehnenmasse und Pfeilmasse konstant. Die Sehnenmasse nimmt mit der Wurfarmlänge zu, die Untersuchung dieses Einflusses habe ich mir gespart, er würde tendenziell die Aussage, mit größerer Bogenlänge, somit größerer dynamischer Wurfarmmasse verringert sich die Pfeilgeschwindigkeit, unterstützen, denn mit der Bogenlänge wächst auch die Sehnenmasse. Hier der Einfluss der Wurfarmmasse auf die Visierstellung von 90m:
Bogenlänge (Zoll) | Dynamische Wurfarmmasse (kg) | Geschwindigkeit (m/s) | Visieränderung 90m (mm) | Ablage (m) |
64 | 0,0593 | 68 | 3 | 0,3 |
66 | 0,0694 | 67,1 | 0 | 0 |
68 | 0,074 | 66,7 | -1,5 | -0,15 |
70 | 0,081 | 66,1 | -4 | -0,37 |
Es ist gut zu sehen, dass sehr wohl die Wurfarmlänge einen bedeutenden Einfluss auf die Ballistik hat. Zwischen dem leichtesten Wurfarm (64") und dem schwersten ist immerhin eine Höhendifferenz von 7mm, das entspricht einer Ablagendifferenz auf der Scheibe von ca 0,6m zu finden.
Wie sieht es jetzt mit dem Einwand der eingeklemmten Finger beim kurzen Bogen aus? Im Weiteren wird die Kraft, die die Finger senkrecht zum Pfeil drückt, mit "Pinch" bezeichnet.
Hierzu eine Skizze, die die Verhältnisse verdeutlicht:
Bild 1, prinzipielle Darstellung |
Daraus ergibt sich folgende Beziehung: Der Winkel Alpha, der verantwortlich für das Einklemmen der Finger ist, lässt sich wie folgt errechnen.
Bild 2, Formel für den Winkel |
Dieser Winkel ist aber nur ein Anhalt für die Kraft, die die Finger zusammendrückt. Die Kraft läßt sich als Verhältniszahl zur Haltekraft darstellen, die hier zu 1 angenommen wird.
Bild 3, Formel für den "Pinch" |
Hier noch zum Verständnis die Vektordarstellungen der Kraft. Die Kräfte, auf die einzelnen Finger sind zur Vereinfachung zu einer Kraft zusammmengefasst.
Bild 4, Darstellung der Pinchkraft im Verhältnis zur Auszugskraft |
Bild 5, Darstellung der Auszugskraft und des Sehnenzugs |
Oben aufgeführte Annahmen wurden mit Mathematica verabeitet, um einem möglichst anschauliche Darstellung zu erreichen.Die erste Darstellung zeigt die Winkeländerung in Abhängigkeit der Pfeillänge. Dabei sind als Sehnenstand 0,2 m und als Klickerabstand 0,04m festgehalten. Selbstverständlich lassen sich auch diese Einflüsse herausarbeiten.
Bild 6 Sehnenwinkel abhängig von der Pfeil- und Bogenlänge |
Dieses Diagramm zeigt den Sehnenwinkel im Bereich von Bogenlängen 1,61m (64") bis 1,78m (70") und Pfeillängen 0,66m (26") bis 0,81m (31").Deutlich ist sichtbar, dass der Sehnenwinkel im Wesentlichen nur durch den Auszug zu beeinflussen ist. Die Bogenlänge geht nur schwach ein. Extrembetrachtungen sind hier sinnlos, da nur der diskutierte Bereich der aktuellen Größen dagestellt ist.
Das zweite Diagramm zeigt die wichtigerere Größe, den Pinch als Verhältnis zur Auszugskraft.Bild 7 Pinchkraft in Abhängigkeit von der Pfeil- und Bogenlänge |
Hier ist noch deutlicher zu sehen, wie wenig Einfluss auf die Pinchkraft über die Wahl der Bogenlänge ausgeübt wird. Die diagonale Gerade hat keine Bedeutung, sie soll nur illustrieren, dass die dargestellte gekrümmte Fläche mitnichten eine Ebene ist.
Es konnte gezeigt werden, dass der Einwand, bei einem kurzen Bogen treten Nachteile durch Fingereinklemmen auf, nicht stichhaltig ist. Die Vorteile eines kürzeren Bogens, die höhere Pfeilgeschwindigkeit (nachgewiesen) und die bessere Präzision auf Grund geringerer Drehschwingungen (plausibel) wiegen den etwas kleineren Sehnenwinkel weit auf.
Die Auswahl eines kurzen Bogens muss allerdings durch eine genaue Spezifizierung der Enhaltekraft bei gegebenem Auszug streng unterstützt werden. Gerade das nehmen, was der Händler auf Lager hat, wird dann mit Sicherheit der falsche Weg sein. Dem Händler muss die Bogenlänge und die Endhaltekraft bei gegebenem Auszug strikt vorgeschrieben werden.
Die Sache mit der "Spezifikation" hat mir (dem Autor) keine Ruhe gelassen und ich habe mich auf die Suche in der Fachliteratur gemacht. Ich habe ein paar aktuelle oder immer noch lesbare Werke herangezogen und bezüglich der Auswahlregeln für die Bogenlängen ausgewertet.
"Archery", USA Archery, 2013, USA Mel Nichols: S. 12:"Mit System ins Gold", Bachmann/Ulrich, 1997, Deutschland
Kapitel 4.5.3 Bogenlänge in Abhängigkeit vom Auszug, übliche Daten (Tabelle 4.5.3 A).
Weiter geht's im Kapitel 4.5.4, mit den Tabellen 4.5.4 A und B, in denen zusätzlich Kombinationen in Abhängigkeit der Disziplin (FITA / Feld) angegeben werden.
"Oft werden im Feld- und Jagdschießen generell etwas kürzere, schnellere Bogen eingesetzt, um die notwendige flache Flugbahn zu erreichen."
Ob diese flache Flugbahn notwendig ist, kann man diskutieren. Man kann hieraus aber ableiten, dass man mit einem kurzen Bogen und
geringeren Zuggewicht zu einem gleich schnellen Pfeil kommen kann wie mit langen Wurfarmen. Wichtig hier ist aber der Hinweis,
dass auch kürzere Systeme möglich sind, auch wenn das aus den Tabellen nicht herauskommt.
"Das Optimale in Hinblick auf Gesamtlänge [
] muss der Schütze aber selbst herausfinden. Die aufgelisteten Tabellen
bieten eine Hilfe, den großen Kreis der Varianten einzuengen."
Eine Hilfe, keine absoluten Vorgaben.
Fazit: keine harten Anforderungen an die Bogenlänge.
"Bogenschießen", spitta, Haidn/Weineck/Haidn-Tschalova, 2010, Deutschland
Seite 654 ff:
"Der Bogen muss auf die anatomischen [
] und technischen [
] Voraussetzungen des Schützen abgestimmt sein. Von besonderer
Bedeutung ist die Auszugslänge des Schützen"
Tabelle 155
"Richtwerte hinsichtlich der Auswahl der Bogenlänge"
liefert hierzu die bekannten Daten. Richtwerte, wohlgemerkt.
"Ein langer Auszug (über 730 mm) benötigt einen langen Bogen, weil ansonsten der Winkel der Sehne im Anker zu spitz wird,
was zu einem Einklemmen der Pfeilnocke führen kann".
Die Autoren geben hierzu keine (Winkel-)Daten an, auch ist nicht dargestellt, warum man diese Probleme erst ab 730 mm Auszug bekommt.
Interessant hierzu:
"Zu berücksichtigen ist ferner, dass ein längerer Bogen eine geringere Anfangsgeschwindigkeit des Pfeils erzeugt
(der Wurfarm wird schwerer [
]) und beim Abschuss instabiler ist, weil er mehr zu Drehschwingungen tendiert."
Wird ein kurzer Bogen damit stabiler? Das Thema wird leider nicht vertieft.
"Hingegen hat ein kürzerer Bogen eine geringere dynamische Masse und damit einen besseren Wirkungsgrad."
Genau so ist es.
Es werfen sich halt immer wieder die gleichen Fragen auf:
Ich will's halt nur wissen ein Zitat, ein Link zu einer soliden Quelle, gibt's da denn gar nix?
Die Längenangaben, die sich überall finden lassen basieren mit hoher Sicherheit auf dem Buch "Die Technik des Bogenschießens im Wettkampf" von Jacques Cadet. Es war praktisch das "Lehrbuch" des Deutschen Schützenbundes und viele falsche und/oder inzwischen schon lange überholte Dinge, die bis heute gedankenlos weitergetragen werden, stammen aus dem Buch.
Hier die Tabelle von Cadet, Seite 20.
Die Auswahl"begründungen" von Cadet (Fingereinklemmen, und dass ein langer Bogen präziser wirft) sind falsch. Im übrigen bezieht sich Cadet nur auf einteilige Bogen.