Die Fingerbewegung der Zughand während des Lösens

Während einer Recherche im Internet nach interessanten Artikeln stieß ich auf eine Spur nach Wien. Ja, Magdeburg mit Prof. Dr. Edelmann-Nusser hatte ich auch im Blick, aber da fand ich keine öffentlich zugänglichen Artikel, sondern nur teure Bücher des Prof. In Wien half mir ein guter Bekannter, den ich sehr schätze, weiter und schickte mir diese Magisterarbeit.
Ja, das war doch mal was wirklich Handfestes. Der Autor hatte solide Arbeit geleistet.

Ich gestehe, dass ich bein Einarbeiten Schwierigkeiten hatte, und wiederum half mir mein guter Bekannter auf die Sprünge.
Es lohnt sich wirklich, sich intensiv mit dieser Arbeit auseinanderzusetzen.

Dann fange ich mal an, Seite 24, Zitat:
Das Lösen der Finger von der Bogensehne stellt einen sehr kritischen Punkt im Bewegungsverlauf des Schusses dar. Dies ist der Moment des Auflösens des Kräftegleichgewichtes. Bis heute gibt es nur einige wenige Veröffentlichungen die sich explizit mit der Untersuchung des Lösevorganges im Bogensport befassen. Es hat sich bis heute die Meinung in der Trainingspraxis durchgesetzt, dass der optimale Bewegungsablauf beim Lösen der Sehne von den Fingern, mehr durch ein Entspannen der Beugemuskulatur, als durch ein aktives Spannen der Streckermuskulatur zu realisieren ist. Dieses entspanntere Lösen soll zu einem „sanfteren“ Lösen der Bogensehne führen und somit zu geringeren Auslenkungen der Sehne zur Seite in horizontaler Ebene.
Dem gegenüber steht die Hypothese, das die bewußte Betätigung der Streckermuskeln in den Fingergliedern bessere Ergebnisse bringen könnte.
Weder das eine noch das andere konnte verifiziert werden, weil keine genügend genaue Meßtechnik (EMG) zur Verfügung steht.

Verlängerter Schuß, Zitat:
Bei verlängerten Schüssen ist die Zeit zwischen Klicker und Schuss deutlich größer als eine Sekunde: Der Schütze/ die Schützin hat die Aufgabe, den Pfeil über den Klicker zu ziehen, zu warten und erst dann zu schießen. Im Normalfall, so Edelmann-Nusser (2005, S. 85), zieht der Schütze/ die Schützin den Pfeil über den Klicker und schießt sofort. Verlängerte Schüsse werden ausschließlich im Training zur Technikschulung geschossen, um den Schuss nicht als automatisierte Antwort auf das Klickersignal auszulösen, sondern „kontrolliert und bewusst“ nach erfolgtem Klickersignal zu schießen.
Und, Zitat:
„Es kann jedoch als gesichert anzusehen sein, dass die untersuchten Schützen hohen nationalen und zum Teil internationalen Leistungsniveaus das motorische Programm1 der Schussauslösung im Sinne einer Open-Loop-Bewegung bereits vor dem Moment des Klickerns initiieren. Das Klickern hat für sie keine Bedeutung für die Auslösung des aktuellen Schusses, es dient nicht als Feedback während der Bewegungsausführung“ (Edelmann-Nusser, 2005, S. 100f).

Ich denke, diese Begründung ("keine Bedeutung") ist irreführend, und meine Erklärung einleuchtender.

Weiterhin denke ich, dass die grottenfalsche (die gesamte Antizipation des Schützen wird durcheinandergebracht) Trainingsmethode "Verlängerter Schuß" aus der Mode gekommen ist, und das ist auch gut so...

Der richtig interessante Teil fängt in der Magisterarbeit mit Abschnitt 6.5 an

Der Autor beschreibt die Bewegung der Fingerglieder als "Drehbewegung" um ihre Gelenke und zeichnet ihren Weg als Winkelweg auf. Hier zwei exemplarische Diagramme, herauskopiert aus oben aufgeführter Magisterarbeit:


Der Weg der Sehne ist ebenfalls mit eingetragen, die Ordinate ist rechts. Es läßt sich die innenballistische Schußzeit abschätzen, es ist in meinen Augen eine supergute Magisterarbeit. So etwas habe ich bis jetzt im Bogensportbereich noch nicht gesehen.

Innerhalb von dreißig Millisekunden springen die Finger auf und wieder zu. Das ist der Grund warum man mit handelsüblichen Handykameras keine vernünftigen Aussagen über die Bewegungen bekommt.

Wenn man weiter im Hinterkopf behält, dass die Spanngeschwindigkeit in der Klickerphase bei 1,6 bis 0,6cm/s liegt, hier Meßwerte einer Spitzenschützin und die Aufbereitung durch ein Polynom

dann wird klar, welch hoher Aufwand getrieben werden muß, um vernünftige Daten zu bekommen. Weiterhin muß man sich darüber klarwerden, dass die beobachteten Bewegungen nur in den seltensten Fällen (bei extrem groben Fehlern) Aufschluß über die Fehlerursache bei einem schlechten Schuß geben können. Die Zeitspanne ist einfach zu kurz. Das wurde auch dem Autor klar, er beklagt die niedrige Bildfrequenz von 500Hz.

Schlußfolgerungen aus dieser Studie

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